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Im Dunst einer Inversionswetterlage steht das Braunkohlekraftwerk Schkopau südlich von Halle.

© Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Prognose der Bundesregierung: Deutschland verfehlt Klimaschutzziele deutlicher als gedacht

Die neue Projektion der Bundesregierung erwartet nur 33 Prozent Emissionsminus bis 2020 statt angepeilter 40 Prozent. Es drohen höhere deutsche Zahlungen.

Von Jakob Schlandt

Deutschland ist auf dem Weg, seine Klimaschutzziele noch deutlicher als bislang angenommen zu verfehlen. Insbesondere in den Bereichen, die nicht dem europäischen Emissionshandel (EU-ETS) unterliegen – speziell im Verkehrssektor – werden bei weitem nicht die nötigen Emissionsminderungen sowohl für die nationalen Ziele als auch die europäischen Vorgaben erreicht. Dies geht aus dem „Projektionsbericht 2019“ hervor, der am Mittwoch vom Bundesumweltministerium veröffentlicht wurde.

Den Erwartungen des Regierungsberichts zufolge sollen die deutschen Emissionen bis 2020 um lediglich 33,2 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Angestrebt wurden ursprünglich 40 Prozent, dieses Ziel wurde allerdings mit dem Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierung 2018 aufgegeben. Die Lücke ist Vergleich zum Projektionsbericht von 2017 um ein gutes Stück gewachsen: Damals war ein Minus von 34,7 Prozent vorhergesagt worden. Die Angaben schließen wie üblich Landnutzungsänderungen und internationalen Luft- und Seeverkehr nicht ein.

Für das Jahr 2030 hat sich die Klimaschutzlücke dagegen ein klein wenig geschlossen: Statt einem Minus von 41,2 Prozent wird nun ein Rückgang der CO2-äquivalenten Emissionen von 41,7 Prozent erwartet. An der sehr großen Lücke zum deutschen Klimaschutzziel von Minus 55 Prozent, das von der Regierungskoalition stets bekräftigt wird, hat sich damit kaum etwas geändert.

Derzeit ringt Schwarz-Rot um Vorschläge, wie der Klimaschutz im kommenden Jahrzehnt wirksam forciert werden kann. Dabei steht vor allem eine CO2-Steuer im Fokus: Emissionen sollen generell einen bestimmten Preis bekommen. Alternativ könnte der Emissionshandel, der bislang lediglich Großindustrie und Kraftwerke einschließt, ausgeweitet werden. Die FDP und Teile der Union präferieren diese Lösung. Das Bundesumweltministerium zweifelt aber daran, dass sich dies zügig rechtlich umsetzen ließe.

Verkehr schafft bis 2030 fast keine Emissions-Einsparungen

Die politische Unsicherheit spiegelt sich auch in dem Regierungsreport: Im diesjährigen Projektionsbericht gibt es deshalb lediglich ein Hauptszenario, das Mit-Maßnahmen-Szenario (MMS). Dafür sind alle politischen Entscheidungen bis Ende August 2018 berücksichtigt. Bei einigen Berichten in der Vergangenheit waren auch MWMS (Mit-Weiteren-Maßnahmen-Szenarios) dargestellt worden, die zusätzliche, noch nicht fest entschiedene Klimaschutzbemühungen mit einschließen. Da „keine konkreten weiteren Klimaschutz-Maßnahmen durch die Bundesregierung geplant waren, wurde auf die Modellierung (…) verzichtet“, heißt es in dem Bericht.

Wir wollen keine Veränderung! Und die Politik macht das, was die Mehrheit will. Das ist zwar traurig und verhagelt der Menschheit eine lebenswerte Zukunft, aber keiner will auf etwas verzichten, weil das Leben so eben viel geiler ist.

schreibt NutzerIn froggy08

Die Projektionen zeigen, dass es in den vergangenen zwei Jahren bei den weiteren Aussichten zu deutlichen Verschiebungen zwischen den Sektoren gekommen ist. Wurden zum Beispiel für die Energiewirtschaft für das Jahr 2030 ehemals 268 Millionen Tonnen an Emissionen vorhergesagt, liegt die Projektion inzwischen bei 255 Millionen Tonnen. Der Verkehr hingegen legt deutlich zu: Statt 150 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß erhält er nun 160 Millionen Tonnen zugerechnet, kaum weniger als heute.

Damit steigt die Gefahr, dass die Bundesregierung hohe Zahlungen leisten muss für das Verpassen von europäischen Klimaschutzvorgaben. Zuletzt waren Kosten von 30 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 für möglich gehalten worden, in einem besonders ungünstigen Fall sogar 60 Milliarden Euro. Länder, die in den Bereichen Verkehr, Gebäudeenergie und Landwirtschaft die europäischen Vorgaben nicht einhalten, müssen Emissionsrechte von EU-Mitgliedsstaaten kaufen, die ihre Klimaschutzquoten übererfüllen. Berechnungen auf Basis des neuen Projektionsberichts, inwieweit diese Vorgaben voraussichtlich nicht erfüllt werden, liegen allerdings noch nicht vor.

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